„Weil die Ruthe einen sonderbaren Nachdruck hat, die Knaben zu demütigen, soll dieselbe von iedwedem, keinen ausgenommen, gebraucht und wol genützet werden.“
Dieser Rat, den der Konrektor von Gymnasium und Lateinschule, Magister Johann Seyfried, am 7.4. 1644 in
einem Schreiben an den städtischen Rat mit Vorschlägen zur Verbesserung der „hießig Schulen“
[1] unterbreitet,
erscheint uns heutigen Lesern als befremdlich. Schon seit über 40 Jahren ist an bayerischen Schulen die
Prügelstrafe als disziplinarische Maßnahme abgeschafft.
Das Schulleben im 17. Jahrhundert also ein völlig anderes als heute – oder gibt es doch mehr Gemeinsamkeiten,
als man auf den ersten Blick meint?
Dieser Frage versucht dieser knappe Einblick in den schulischen Alltag nachzugehen auf der Grundlage von
Schulakten aus den Gründungsjahren des Celtis-Gymnasiums, wie sie das Stadtarchiv Schweinfurt aufbewahrt.
Zwei Ziele prägten die neue Schule, die eine Brücke bilden sollte zwischen Lateinschule und Universität:
„sapiens atque eloquens pietas“, die Ehrfurcht vor Gott und das Streben nach vielfältiger Bildung.
So stand die religiöse Unterweisung sowie der gemeinsame Kirchgang im Zentrum des Unterrichts, der im Fach Musik,
das durch den Kantor der St.-Johannis-Kirche gelehrt wurde, abzielte auf die Einübung des „Chorus Musicus vocalis“
für den Gottesdienst. Auch die Unterweisung im Griechischen sowie im Hebräischen diente der Vorbereitung auf ein
Theologiestudium, wozu sich vor allem von der Stadt unterstützte, bedürftige Schüler verpflichten mussten.
Daneben aber fand sich auch die Lektüre der klassischen lateinischen Autoren, die Beschäftigung mit Geschichte
und Mathematik sowie die Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften - in der Stadt, in der fast zeitgleich
1652 mit der „Leopoldina“ eine Gesellschaft für Naturforscher gegründet wurde, die im letzten Jahr in den Rang
einer „Nationalen Akademie der Wissenschaften“ erhoben wurde, nicht verwunderlich.
Wie waren nun aber die Schüler, die in dieser neuen Lehranstalt ausgebildet wurden?
Selbstverständlich erwartet wurde von ihnen fleißiges Lernen und Studieren, vor allem aber sich „zuförderst
der pietet und wahren Gottesfurcht, wie auch eines ehrbaren wandels“ zu befleißigen und den Lehrern sowie
der Schulsatzung Gehorsam zu leisten.
Aber wie auch heute fielen Wunsch und Wirklichkeit wohl oft auseinander: Immer wieder finden sich in Schreiben
der Lehrer Klagen über mangelnde Disziplin, Fernbleiben vom Unterricht oder gar „das Sauffen“ und Zechen der
Schüler, wogegen auch die dringend empfohlene Prügelstrafe offensichtlich keine Abhilfe darstellte.
So wie für die Schüler des neu errichteten Gymnasiums die religiöse Unterweisung wesentlich war, so stellte
für manchen Lehrer der Schulunterricht nur die zweitbeste Lösung dar nach dem ursprünglich angestrebten
„professionem theologicam oder Pfardienst“.
Frömmigkeit war neben redlichem Lebenswandel, Fleiß und Zuverlässigkeit eine der Eigenschaften, die der Rat der
Stadt Schweinfurt von einem Lehrer erwartete. Weiter wird von ihnen zum einen Gehorsam gegenüber der städtischen
Obrigkeit und den Schulinspektoren wie auch getreues Befolgen der Schulregeln und Ordnungen sowie aller sonstigen
Weisungen durch den Rat verlangt. Zum anderen aber wird Wert gelegt auf die Aufrechterhaltung der Disziplin bei
den Schülern, notfalls auch durch körperliche Strafen, und deren Abhaltung von unsittlichem Lebenswandel
(Spielen, Zechen, nächtliches Weggehen etc.), wobei die Lehrkraft sich so verhalten soll, „daß die Schul Jugent
dardurch erbaut“ wird.
Und all diese „saure und verdrießliche Schuelarbeit“, wie die Lehrkräfte in einem Schreiben an die Stadt klagten,
wurde noch dazu schlecht oder nur unregelmäßig bezahlt - wahrscheinlich eine Auswirkung des Dreißigjährigen
Krieges und der kaiserlichen Besatzung der Freien Reichsstadt Schweinfurt nach der Niederlage der Schweden.
Dennoch verlangt der Rat der Stadt Schweinfurt als Dienstherr – wie auch der heutige – von seinen „Schul-Dienern“
nicht nur Gehorsam gegenüber dienstlichen Weisungen, sondern die freiwillige Erweisung von „gebührende[m] Respect
und Ehren“ gegenüber allen Vertretern der Obrigkeit, seien es die Ratsherrn selber oder die städtischen „Scholarchen“
als Schulinspektoren. Darüber hinaus aber erwartet der Stadtrat vom Direktor seines Gymnasiums auch selbst verfasste,
öffentlich vorgetragene Lobgedichte auf die jeweils neu gewählten Ratsherrn.
Wie weit die direkte Einflussnahme der städtischen Obrigkeit geht, zeigt der Fall eines Schülers, der wegen
wiederholten Fehlverhaltens nicht nur von der Schule und dem zugehörigen städtischen Alumnat für Bedürftige
verwiesen wird, sondern nach Beschluss des Stadtrates auch durch „die Knecht mit Ruthen gestrichen“ werden soll.
Die zuletzt beschriebene Vorgehensweise des Rates der Stadt Schweinfurt zeigt deutlich, dass vieles im Schulleben
in der Gründungszeit des Celtis-Gymnasiums uns heute fremd erscheint. Aber sind die beschriebenen Klagen der Lehrer
über ihre Besoldung und vor allem die mangelnde Disziplin und Lernbereitschaft der Schüler so veraltet? Haben sich
die Verhaltensweisen von jugendlichen Schülern wirklich so gravierend verändert?
Wurde die Einflussnahme der staatlichen Obrigkeit auf den Unterricht zu Gunsten des pädagogischen Wirkens der
einzelnen Lehrer reduziert? Dies zu beurteilen sei dem Leser dieses kurzen Einblicks in die Gründungszeit unserer
Schule überlassen.